Obst, H.
Obst, Harry (geboren 1932) Chefdolmetcher für sieben amerikanische Präsidenten
Chefdolmetcher der USA-Präsidenten "Politiker kommen und gehen, aber die Diener des Staates bleiben"
Harry Obst wurde 1932 in Königsberg(Ost-Preussen) geboren. Man schrieb das vorletzte Kriegsjahr im II. Weltkrieg. Da macht sich eine Mutter mit ihren drei Kindern auf eine große, beschwerliche Reise, um dem Krieg zu entfliehen. Sie ahnen nicht, daß sie ihre Heimatstadt Königsberg nicht wiedersehen werden.
Die Reise voller Gefahren endet in Calbitz. Ella Loth gibt ihnen Wohnung in ihrem kleinen Haus. Das Kriegsende erleben die Obsts in Calbitz. Auch die ersten schweren Nachkriegsjahre sind die Obstkinder mit ihrer Mutter weiter in Calbitz . Sie finden in der Nachbarschaft schnell Spielgefährten. Trotz der beengten Wohnverhältnisse fühlt sich Harry, der Älteste auch in Calbitz heimisch.
Bald jedoch geht Harry Obst in die westlichen Besatzungszonen. Dann folgen auch die Geschwister und die Mutter. In Essen-Heisingen finden sie eine neue Bleibe. Beruflich arbeitet der erwachsen gewordene Harry als Bergmann auf der Zeche Carl Funke in Essen. Er war als Gedingeschlepper tätig, lockerte vor Ort die Kohle mit dem Preßlufthammer und bediente den Förderkorb. So verdiente er sich sein Geld für das Studium.
Er besucht dann die Dolmetscherschule in Germersheim, die zur Universität Mainz gehörte. Seine Studienfächer waren Englisch und Französisch. 1956 legte er dort die Übersetzerprüfung ab.
Nach Beendigung seines Studiums zog er nach München auf der Suche nach einem Job als Übersetzer für Bücher oder Dokumente in Englisch oder Französisch. Viele Buchverlage befanden sich in München. Aber gute und erfahrene Übersetzer gab es im Dutzend, und er war ein Neuling, der frisch vom Studium kam. Er war gezwungen einen Job als Verkäufer von Büromaschinen anzunehmen.
Eines Tages, er war Mittagessen in einem Restaurant, kamen drei Amerikaner, setzten sich an den Nachbartisch und versuchten vergeblich ein Essen zu bestellen. Sie konnten die Speisekarte nicht lesen. Er ging zu ihrem Tisch und bot ihnen an, die Karte in die englische Sprache zu übersetzen. Sie luden ihn zu sich an den Tisch.
Es stellte sich heraus, sie waren drei neu eingetroffenen Mitarbeiter des amerikanischen Generalkonsulats. Als sie erfuhren das er aus Königsberg in Ost-Preussen stammt, sagten sie: "Wir sind auf der Suche nach Flüchtlingen wie Sie". "Warum?" Fragte er ungläubig. "Am 31. Dezember dieses Jahres läuft ein Gesetz namens" Refugee Relief Act "(Flüchtlingshilfsgesetz) ab". Das Sondengesetz vom August 1953 sieht vor, daß über die normale Quote hinaus Menschen in den Staaten Aufnahme finden sollen, die auf Grund des Krieges ihre Heimat verloren haben. Ende Januar 1957 flog Harry Obst als legaler Einwanderer in die Vereinigten Staaten.
Dort arbeitete er als Dolmetscher im Außenministerium, wurde bald Chefdolmetscher für die deutsche Sprache und ist seit 1985 Direktor der Abteilung des Sprachendienstes im Außenministerium. 1988 konnte er von sich sagen, fünf USA-Präsidenten als Chefdolmetscher für Deutsch gedient zu haben. Im Laufe seiner Tätigkeit hatte er bis 1988 einhundertfünfmal den Atlantik überquert, hat mit deutschen, schweizerischen und österreichischen Gästen des Außenministeriums 23 komplette Rundreisen durch die USA absolviert.
Bis zu seiner Pensionierung arbeitete er für folgende Präsidenten:
- Lyndon B. Johnsen
- Richard M. Nixon
- Gerald Ford
- James E. "Jimmy" Carter
- Ronald Reagan
- George Bush
- Bill Clinton
Viele Male hat er die Präsidenten auf internationale Wirtschaftsgipfel begleitet. Er ist in seiner Position auch verantwortlich für die korrekte Übersetzung aller Verträge, die die USA mit ausländischen Staaten abschließen. Erst wenn er mit seiner Unterschrift deren Richtigkeit bestätigt hat, können diese unterzeichnet werden. Er hat Calbitz nicht vergessen, denn einem Reporter erzählte er auch Erinnerungen von seiner Zeit in Calbitz. (Fakten aus einem Artikel der Zeitung "Washington Post")
(Quelle: Calbitz am Collm 1292-1992, von Siegfried Heidler)